Die Auerochsen im Josefstal
Unterhalb
des Comboni-Missionshauses Josefstal bei Ellwangen schlängelt sich der
renaturierte Sixenbach eineinhalb Kilometer durch die Tal-Aue. Seit
Dezember 2008 weidet hier eine Herde Auerochsen.
Im Frühjar 2020 leben die 8 grün markierten Auerochsen auf der 7,5 Hektar großen Weide am Sixenbach. 16 gesunde Kälber sind bislang herangewachsen.
Bei den Stieren hat ein Generationswechsel stattgefunden. Mit Anderl
aus Fürstenfeldbruck kam 2019 ein junges, kräftiges Tier nach
Josefstal, das bei den Damen der Herde schnell Anklang fand. Unser
gutmütiger und bewährter Leitstier Amir überließ das Feld bald dem jüngeren Rivalen und wurde zusammen mit Adam im Frühjahr 2020 geschlachtet.
Der Beginn unserer Herde im Jahr 2008:
Den Anfang machten drei Damen aus Thierhaupten bei Augsburg:
Leitkuh Elisa (2005–2012) sowie die Kühe Ester (2008-2018) und Eva (2007–2013).
Stier Amir kam im September 2009 zur Herde und war bis 2019 Leitstier der Herde (geb. 1.4.2007 auf der Insel Wörth im Staffelsee).
Diese Tiere wurden im Josefstal geboren:
Stier August (geb. 14.4.2009, Mutter: Elisa)
Emmi (geb. 18.5.2010, Mutter: Elisa)
die Zwillinge Else und Elvira (geb. 6.6.2010, Mutter: Ester)
Elke (geb. 9.4.2011, Mutter: Elisa)
Erika (geb. 17.10.2012, Mutter: Ester)
Albrecht (geb. 27.2.2013, Mutter: Eva)
Emilie (geb. 4.7.2013, Mutter: Else)
Alfons (geb. 16.12.2014, Mutter: Ester)
Amos (geb. 7.3.2015, Mutter: Erika)
Adonis (geb. 9.7.2015, Mutter: Else)
Estrella (geb. 1.1.2016, Mutter: Ester)
Eike (geb. 12.8.2016, Mutter: Else)
Elli (geb. 09.01.2017, Mutter: Ester)
Adam (geb. 31.08.2017, Mutter: Erika)
Nico (geb. 11.03.2018, Mutter: Philipa, Vater: Nepomuk)
Diese Tiere kamen von auswärts zu unserer Herde:
Philipa (geb. 05.12.2015) aus dem Tierpark Hellabrunn)
Anderl (geb. 03.12.2015) vom Landesbund für Vogelschutz e. V. Fürstenfeldbruck
Josefstaler Auerochsen in anderen Herden:
Die
männlichen Tiere kämpfen um den ersten Platz in der Hierarchie, denn es
kann nur einen Leitstier in der Herde geben. 2013 war der vierjährige
Stier August zu einem Konkurrenten für Amir herangewachsen, deshalb haben wir ihn zum Hirschhof nach Aalen umgesiedelt.
Die Kühe Elke und Emmi verstärken seit Juli 2013 die Bopfinger Auerochsenherde.
Stier Adonis wurde an einen Züchter im Altmühltal verkauft.
Den prominentesten Platz bekam unsere Kuh Estrella:
Sie hat im März 2018 in den Tierpark Hellabrunn in München
eingeheiratet, um den dortigen Genpool aufzufrischen. Im Gegenzug haben
wir Philipa aus München erhalten, die kurz nach ihrer Ankunft Stier
Nico zur Welt brachte, ein Münchner Kindl also.
Direktvermarktung von Auerochsenfleisch und -wurst
Weil
die Herde eine bestimmte Größe nicht überschreiten soll und erwachsene
männliche Tiere miteinander rivalisieren, schlachten wir auch ab und zu
einen Auerochsen. Falls Sie an Auerochsenfleisch oder -wurst
interessiert sind, informieren wir Sie gern per E-Mail über aktuelle
Verkaufstermine. Schreiben Sie uns einfach eine Mail an info@auerochsen-im-josefstal.de.
Von
2011 bis 2016 teilten die Auerochsen ihre Weide mit Konik-Wildpferden,
die auch ganzjährig draußen leben. Die Weidegemeinschaft hat sehr gut
funktioniert. Allerdings stellte sich heraus, dass die Tal-Aue des
Sixenbachs auf Dauer zu nährstoffreich ist für die Koniks, die mehr
mageres Futter brauchen. Stute Gwen und Hengst Pegasus leben jetzt auf
Islandpferdegestüten in Wolpertshausen-Hopfach und Crailsheim, wo sie
liebevolle Bezugspersonen gefunden haben. Gwen wird sogar zum Reitpferd
ausgebildet.
Das
Gelände am Sixenbach gehört den Comboni-Missionaren und wird in
Erbpacht von Schreinermeister Martin Hertlein bewirtschaftet, der mit
diesem Ort schon seit seiner Ausbildung 1978 in den Comboni-Werkstätten
verbunden ist.
Ur-Geschichte
Der
Auerochse oder Ur (Bos primigenius) ist der Stammvater unserer
Hausrinder. In Mitteleuropa gab es Auerochsen bereits vor 250 000
Jahren. Sie waren fast in ganz Europa, Asien und Nordafrika verbreitet.
Gemeinsam mit Mammut, Wollnashorn und Riesenhirschen weideten sie in
Flussauen und halboffenen Waldlandschaften. Bei den Steinzeitvölkern,
Kelten und Germanen galten sie als begehrte Jagdtrophäe.
Man
erkennt den Auerochsen an den gebogenen Hörnern mit der dunklen Spitze,
am weißen Maul und dem Aalstrich, einer schmalen, hellen Rückenlinie.
Eine ausgewachsene Kuh wiegt rund 500 kg, ein Stier bringt
800-900 kg auf die Waage. Die robusten Tiere leben das ganze Jahr
draußen, nur bei geschlossener Schneedecke wird Heu zugefüttert.
Weil
der Mensch durch seine Siedlungen und Kulturlandschaft den Lebensraum
des Auerochsen immer mehr einschränkte und ihn auch jagte, starb der
ursprüngliche Auerochse vor über 300 Jahren aus. Am längsten hielt
er sich in Osteuropa, wo die letzte Ur-Kuh 1627 in Polen von Wilderern
getötet wurde. Die Auerochsen, die man heute in Landschafts- und
Naturschutzgebieten weiden sieht, sind Rückzüchtungen.
Rückzüchtung
Sein
Erbmaterial hat der ausgestorbene Ur in unseren Hausrindern
hinterlassen. Davon waren die Gebrüder Lutz und Heinz Heck überzeugt.
Als Direktoren des Zoologischen Gartens Berlin und des Tierparks
Hellabrunn München begannen sie in den 1920er-Jahren, durch Kreuzung
verschiedener „ursprünglicher“ und naturnah gehaltener Rinderrassen die
Merkmale des Auerochsen wieder zu vereinigen.
Sie
glaubten, Gene ließen sich wie Puzzleteile wieder zusammenfügen, um
eine ausgestorbene Rasse wiederherzustellen. So wollten sie ein
Wildrind züchten, das dem Auerochsen in Aussehen und Verhalten
möglichst ähnlich sein sollte. Daraus ist der heutige Auerochse
entstanden, den man nach seinen Züchtern auch „Heckrind“ nennt.
Heute
weiß man, dass die einseitige Zucht von Hochleistungsrassen genetisch
in eine Sackgasse führt. Auerochsen sind robust, widerstandsfähig gegen
Kälte und Krankheiten. Ihre Rückzüchtung war ein spektakulärer Versuch,
eine ausgestorbene Art wieder zum Leben zu erwecken. Dennoch bleibt das
Heckrind eine Nachschöpfung, denn eine ausgerottete Art kann durch
Zucht niemals wieder identisch zurückgewonnen werden. Manche
Rinderrassen, deren Merkmale zur Wiedererstehung des Auerochsen genutzt
wurden, stehen heute selbst auf der Roten Liste der bedrohten Arten.
Man
geht davon aus, dass die Rückzuchten wieder eine ähnliche Funktion im
Naturhaushalt übernehmen wie ihre Vorfahren und dass sie ein wichtiges
Mittel sind, um Ökosysteme wiederherzustellen, die der Mensch zerstört
hat.
Landschaftspflege
Mittlerweile
gibt es europaweit über 3 000 rückgezüchtete Auerochsen. Im Zuge
landwirtschaftlicher Extensivierungsmaßnahmen entdecken immer mehr
Landwirte ihre Vorzüge, denn das Heckrind braucht weder Stall noch
Kraftfutter, macht wenig Arbeit und verhindert die Verbuschung und
Verwaldung von Feuchtwiesen oder schwierig zu bewirtschaftendem
Grenzertrags- und Brachland.
Seit
Mitte der 1980er-Jahre haben mehr als drei Viertel der
baden-württembergischen Milchbauern ihren Betrieb aufgegeben, der
Milchkuhbestand hat sich fast halbiert. Für die wenigen verbliebenen
Landwirte lohnt es sich nicht mehr, unwegsame oder magere Wiesen zu
bewirtschaften. Lässt man die Grünflächen jedoch brachliegen, verbuscht
und verwaldet unsere Landschaft. Widerstandsfähige Grasfresser wie die
Auerochsen lösen dieses Problem auf natürlichste Weise.
Ihren
Lebensraum gestalten die Auerochsen sehr strukturreich. Die Weiden
reagieren mit einer üppigen Fauna und Flora. Der Dung der Tiere zieht
viele Insekten an, die wiederum Nahrung für Vögel, Frösche und
Fledermäuse sind. Viele bedrohte Tierarten sind auf die Freihaltung
offener Landschaftsbereiche angewiesen. Nebenbei sorgen die großen
Auerochsen also dafür, dass seltene Pflanzen, Insekten und andere Tiere
wieder einen Lebensraum finden. |